Oder: Ich habe Angst. Was nun?
Prism. Die Enthüllungen sind jetzt eine Weile her, die Luft aus dem Skandalluftballon beginnt langsam zu entweichen und ich fühle mich etwas ratlos zurückgelassen, weil es eigentlich auf jeder Ebene nur offene Fragen, aber keine Antworten gibt.
(Update: Ich hab den Podcast, für den dieser Artikel geschrieben wurde mal an den Artikel angehängt. Falls euch das interessiert: Ladet ihn schnell runter, der wird in einer Woche depubliziert.)
Politik: Wir haben also einen Innenminister, der das Supergrundrecht Sicherheit ausruft, dass alle anderen Rechte aussticht. Wir haben einen Kanzleramtschef, der Kraft seiner Wassersuppe erklärt, dass alles super ist, weil das in einem Brief steht, den die Verdächtigen geschrieben haben. Und wir haben jede Menge Politiker, die sich gar nicht äußern. Warum mir das nicht passt? Weil meinem Gefühl nach eine Grenze ohne Rückreise überschritten wurde. Durch (welche) Algorithmen (auch immer) Menschen in Profile kategorisieren und dann gegebenenfalls aussieben war noch nie eine gute Idee. Wird aber über kurz oder lang passieren. Oder passiert vielleicht schon. Aber keinen interessiert es? Was ist da los?
Nicht-Nerds: Obwohl ich mit Erstaunen feststelle, dass sich der Messenger Threema seit mehreren Wochen in den Top-20 der iOS-Charts hält und ich auch immer wieder mal Anfragen bekomme, erlebe ich doch nach wie vor, dass “Ich habe nichts zu verbergen./Mir wird schon nichts passieren.”-Meinung vorherrschend ist. Warum mir das nicht passt? Weil ich mich frage, was überhaupt passieren muss, bevor ein größerer Teil der Bevölkerung aufwacht. Mir würde ja schon ähnliche Aktivität wie zu Beginn des Vorratsdatenspeicherungsprotestes ausreichen, aber da passiert einfach gar nichts. Was ist da los?
Nerds: Bleiben wir bei Threema, weil es gerade der etablierte Dienst unter den wenigen Angeboten ist, die gerade auf den Markt kommen oder gekommen sind. Ich beobachte zunehmend, wie sich Nerds darin gefallen, zu bemängeln, dass der Dienst nicht hundertprozentig sicher ist – ohne zu erklären, dass er aber einen ganz entscheidenden Schritt in die richtige Richtung geht. Warum mir das nicht passt? Weil es mir so vorkommt, als sei es wichtiger Recht gehabt zu haben und es besser zu wissen, anstatt das (kleine) Momentum zu nutzen, dass wir gerade haben und sichere Dienste soweit zu pushen wie es eben geht. Was ist da los?
Und noch mehr Fragen: Lohnt es sich die Kommunikation zu sichern, wenn doch die Metadaten so gefährlich sind? Welche Dienste sollte man aufgeben, welche kann man weiternutzen und mit welchem Maß an Überwachung müssen wir leben? Wie können wir Politik stärker in Verantwortung nehmen? Kann ich noch ohne Angst vor Repressalien in die USA einreisen? Ist die USA mittlerweile ein Staat, dem mal ernsthaft auf die Finger geklopft gehört? Wie real ist Bradley Mannings Entschuldigung? Mache ich mir zu viele Gedanken? Wo ist der Grat zwischen Aufklärung und Nerverei?
Alles unbeantwortete Fragen, die mir wie gesagt Angst machen. Keine konkrete Angst. Am ehesten vergleichbar mit dem Gefühl, wenn man zu einem besoffenen, gewalttätigen Vater nach Hause kommt: Es ist gruselig, es kann mit ein bisschen Pech auf jeden Fall sehr, sehr weh tun, es wird auf jeden Fall irgendwann sehr, sehr weh tun, aber vielleicht schläft er auch nur. Geht das nur mir so?
Um das alles in einer Frage zusammenzufassen: Was hat sich durch Prism, Tempora & Co für euch verändert? Darüber möchte ich heute Abend öffentlich im öffentlich-rechtlichen Radio reden. Am liebsten mit euch unter 0331/7097110 ab 22:00 Uhr. Aber wenn euch das nichts ist auch gerne hier in den Kommentaren, auf Twitter oder im Geheimchat.
Podcast: Play in new window | Download (Duration: 1:42:56 — 94.2MB)
Oder: Ich habe Angst. Was nun? Prism1. Die Enthüllungen sind jetzt eine Weile her, die Luft aus dem Skandalluftballon beginnt langsam zu entweichen und ich fühle mich etwas ratlos zurückgelassen,...